Hintergrund
Seit jeher beschäftigt die Teilnehmer der Immobilienbranche das Thema der Einhaltung des Schriftformerfordernisses bei langjährigen Mietverträgen. Die Nichteinhaltung des gesetzlichen Schriftformerfordernisses führt zwar nicht zur Unwirksamkeit des Mietverhältnisses. Vielmehr gilt das betreffende Mietverhältnis als für unbestimmte Zeit abgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass ein für mehrere Jahre abgeschlossener Mietvertrag unter Berufung auf einen potentiellen Schriftformverstoß von beiden Parteien vorzeitig mit einer Frist von 6-9 Monaten gekündigt werden kann. Daraus ergibt sich erhebliche Rechtsunsicherheit sowohl für Vermieter, die mit einer längeren Festlaufzeit kalkulieren und ggf. kostspielige Mietausbauten auf eigene Kosten durchgeführt haben und/oder Baukostenzuschüsse bzw. andere Mieterincentives gewährt haben. Diese Investitionen amortisieren sich nicht bzw. nicht vollständig in den Fällen, wenn der Mieter das Mietverhältnis vorzeitig kündigt. Auch für den Mieter kann eine vorzeitige Kündigung durch den Vermieter nachteilig sein, wenn die Anmietung der konkreten Räume wegen Lage, Kundschaft und/oder anderen Vorteilen für ihn maßgeblich ist.
Artikel 14 Nr. 7 BEG IV:
Abhilfe könnte der vom Deutschen Bundestag am 26. September 2024 beschlossene Entwurf der Bundesregierung des IV. Gesetzes zur Entlastung der Bürgerinnen und Bürger, der Wirtschaft sowie der Verwaltung von Bürokratie (BEG IV) bringen. Das BEG IV enthält u.a. die Änderung des BGB betreffend die Aufhebung des Schriftformerfordernisses für Gewerbemietverträge. Bislang ist bei Mietverträgen, die für längere Zeit als ein Jahr abgeschlossen werden, gemäß § 550 BGB die schriftliche Form einzuhalten. § 550 BGB gilt unmittelbar für Mietverhältnisse über Wohnraum. Über den Verweis in § 578 Abs. 1 gilt § 550 BGB auch für Mietverhältnisse über Grundstücke. Für Mietverhältnisse über Gewerberäume erklärt § 578 Abs. 2 BGB den Verweis auf die in § 578 Abs. 1 genannten Vorschriften für anwendbar, so dass § 550 BGB insoweit ebenfalls gilt. Gemäß Artikel 14 Nr. 7 a) BEG IV soll der Verweis in § 578 Abs. 1 BGB auf § 550 BGB gestrichen werden. Stattdessen soll gemäß Artikel 14 Nr. 7 b) in § 578 Abs. 1 BGB ein neuer Satz eingefügt werden, wonach § 550 mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.
Die Konsequenz der Ersetzung des Schriftformerfordernisses durch die Textform ist, dass gewerbliche Mietverträge bzw. Nachträge künftig nicht mehr in einer von beiden Parteien eigenhändig unterschriebenen Urkunde unterzeichnet werden müssen, sondern auch auf einem dauerhaften Datenträger ohne Unterschrift, z. B. in Form von E-Mails, Computerfax, SMS oder über mobile Instant- Messenger (Nachrichten-Apps) als formwirksam abgeschlossen gelten. Durch die Verweisung in § 581 Abs. 2 BGB gilt die Änderung auch für gewerbliche Pachtverträge. Für Mietverträge über Wohnraum soll die Schriftform des § 550 BGB jedoch weiterhin bestehen bleiben.
Rechtliche Einordnung / Ausblick:
Zu beachten ist zunächst, dass das BEG IV noch nicht in Kraft getreten ist. Es steht noch die Zustimmung des Bundesrates und die offizielle Gesetzesverkündung aus. Nach dem Wortlaut des Artikels 14 Nr. 7 b) BEG IV besteht bei Verletzungen der Textform weiterhin das Risiko einer vorzeitigen Kündigung. Als Voraussetzungen zur Einhaltung der Textform sind z. B. das Erfordernis einer lesbaren Erklärung (nur mündliche Abreden genügen nicht), die Kenntlichmachung des Textendes, um zu verdeutlichen, dass die Erklärung vollständig ist, und/oder die dauerhafte Verfügbarkeit der in Textform abgegebenen Erklärung zu nennen.
Die Möglichkeit des Abschlusses von Gewerbemietverträgen bzw. Nachträgen in Textform stellt grundsätzlich eine Formerleichterung gegenüber dem strengeren Schriftformerfordernis dar. So wurde in der langjährigen Rechtsprechung eine Reihe von potentiellen Schriftformverstößen entwickelt. Die Landschaft der potentiellen Schriftformverstöße ist teilweise unübersichtlich und unklar, woraus große Rechtunsicherheit resultiert. Zu nennen sind z. B. als gering einzustufende Schriftformfehler, wie ein fehlender oder unvollständiger Verweis auf Anlagen oder eine falsche Inbezugnahme auf den Mietvertrag und/oder Nachträge. In diesen Fällen erscheint die Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung häufig unangemessen und der Aufwand der Verhandlung und des Abschlusses von schriftformheilenden Nachträgen zu groß. Durch die Umsetzung des BEG IV könnte die grundsätzliche Diskussion über das Vorliegen von potentiellen Schriftformverstößen entfallen. In der Praxis betrifft das jedenfalls kleinere Mietverträge (z.B. Lager- und/oder Stellplatzmietverträge) und/oder nur geringfügige Anpassungen des Mietverhältnisses (Wortlautberichtigungen, Klarstellungen). Anderes zu beurteilen sind indes Fälle, in denen wesentliche mietvertragliche Abreden und/oder Regelungen mit wirtschaftlichen Implikationen außerhalb der einheitlichen schriftlichen Vertragsurkunde vereinbart werden. Der Abschluss solcher Vereinbarungen in Textform könnte eine noch größere Rechtsunsicherheit mit sich bringen. Zu denken ist insbesondere an Fälle, in denen die in Textform vorhandenen Erklärungen im laufenden Asset Management nicht sorgfältig aufbewahrt werden. Für einen in die Mietverträge eintretenden Erwerber einer Immobilie muss indes gerade bei größeren Mietverhältnissen mit Mietern zweifelsfrei ersichtlich sein, welche Rechte und Pflichten er übernehmen soll. Diesem Umstand ist nur durch eine ordentliche schriftliche Vertragsdokumentation ausreichend Rechnung getragen.
Fazit
Da das BEG IV noch nicht verbindlich ist, bleibt im Ergebnis also abzuwarten, ob und in welcher finalen Form Artikel 14 Nr. 7 BEG IV im BGB umgesetzt wird. Nach dem aktuellen Wortlaut handelt es sich lediglich um eine Formerleichterung. Die Einhaltung der (einfacheren) Textform müsste weiterhin beachtet werden. In der Praxis empfiehlt es sich trotzdem zu Beweis- und Dokumentationszwecken, gerade auch im Hinblick auf Transaktionen, einen schriftformkonformen Mietvertrag abzuschließen. Dasselbe dürfte für alle Änderungen von Mietverträgen gelten.